Gottes Umgang mit seinen Kindern

Wenn ich im Alten Testament studiere, dann stelle ich immer schon nach wenigen Versen, oder gar schon nach wenigen Worten fest, dass es mir doch sehr schwer fällt nachzuvollziehen, wie die Menschen damals agiert haben. Das liegt zum einen sicherlich daran, dass die gesellschaftlichen Strukturen dieser Zeit wenig Ähnlichkeit mit den heutigen haben. Zudem habe ich wenig Verständnis oder Akzeptanz für viele der Ansichten, die damals so gepflegt wurden. Und was mir häufig besonders schwer fällt ist, mit Hilfe der sehr knappen Schilderungen über die Gedankengänge und Gefühle der dort beschrieben Personen, ein Bild davon zu entwickeln, wer diese Menschen eigentlich waren. Ich persönlich könnte jetzt auf die bis ins kleinste Detail beschriebenen Vorschriften in Levitikus und Deuteronomium durchaus verzichten, würde ich stattdessen aber sehr freuen, mehr Einblick zu gewinnen, wer Abraham, Mose, aber auch Hagar, oder Sara, oder Eva und Adam als Mensch waren.

Dennoch ist das Alte Testament heilige Schrift und sicher höchst kostbar für uns. Man muss nur häufig etwas tiefer graben, oder mit mehr Inspiration lesen, um geistig berührt zu werden. So stelle ich mittlerweile doch immer öfter fest, dass ich mich an manchen Stellen doch in gewisser Weise wiederfinden kann. Zum Beispiel las ich diese Woche in Numeri darüber, wie Mose verzweifelt über die Israeliten zum Herrn rief (Numeri 11, 13-15): „Woher soll ich Fleisch nehmen, um es diesem ganzen Volke zu geben? Mir jammern sie ihre Not vor und rufen: `Gib uns Fleisch zu essen!´ Ich allein vermag die Last für dieses ganze Volk nicht zu tragen; sie ist für mich zu schwer! Willst du trotzdem so mit mir verfahren, so bringe mich doch lieber gleich um, wenn du es gut mit mir meinst, damit ich mein Unglück nicht länger anzusehen brauche!“  Also ich musste schmunzeln. :) Und ich konnte mich so gut in Mose hineinversetzen. Seine ganze Zeit, sein ganzes Sein hat er jeden Tag für das Volk Israel geopfert. Er hat sein Leben immer wieder aufs Spiel gesetzt, um sie aus Ägypten zu führen, weil sie dort ja schließlich so unglücklich waren und den Herrn um Befreiung angefleht hatten. Gott hat durch Moses Hand als Mittler ein Wunder nach dem anderen vollbracht, für sein erwähltes Volk. Und dann hat er nichts anderes als Gejammer und Gemecker zu hören bekommen. Schwierig! Ich will jetzt übertreiben, oder so tun als sei mein Leben irgendwie mit dem de Mose vergleichbar. Aber ich glaube, jede Mutter kann an dieser Stelle nachempfinden, wie es ihm ging. Man reißt sich täglich fast ein Bein für die Kinder aus. Und was hört man? Gejammer! Und was die noch viel wichtigere Parallele ist: Was hat Mose gemacht, als er nur noch Gejammer hörte? Er hat selber gejammert und ist regelrecht melodramatisch geworden. Das kenne ich auch von mir. Da hat man plötzlich, bloß weil die Kinder jammern selbst das Gefühl ein schweres Leben zu haben. Habe ich aber gar nicht. Aber da erlebt man als Familie dann manchmal so einen richtigen Dominoeffekt. Einer nach dem anderen verfällt in Selbstmitleid.

Worauf ich aber mit meiner flapsigen Art hinaus will ist, dass uns das Alte Testament vielleicht viel näher ist, als wir manches Mal denken. Und wenn wir ein bisschen zwischen den Zeilen lesen, oder inspiriert interpretieren, dann können wir im Alten Testament ganz viel über den Umgang Gottes mit seinen Kindern erfahren und lernen. So hatte mich besonders die Geschichte von Hagar sehr berührt, über die ich in einem früheren Beitrag (Der Herr sorgt für die Seinen) geschrieben habe. Dort ist mir aber ganz speziell ins Herz gedrungen, wie der Herr für Hagar da war und sie als sein Kind mit eigenem Charakter, eigener Erdengeschichte und ganz persönlichen Bedürfnissen gesehen hat und wie er ihr beigestanden hat. Was man dort über Gottes Umgang mit uns Menschen erfährt, beschäftigt mich noch immer.

Auch in der Geschichte um Lot und seine Familie wird so stark deutlich, wie der Herr diesen seiner Kinder beistand und sie ganz individuell in ihrer spezifischen Situation begleitet hat. Mir fiel dort wie schon öfter ein interessanter Aspekt in Gottes Umgang mit seinen Kindern auf. Nämlich, dass Gott uns dort abholt, wo wir gerade sind. Lot war offensichtlich kein schlechter Mensch. In der Geschichte wird aber dennoch deutlich, dass sein Verständnis für Heiliges, wie das Bewirtschaften der drei heiligen Männer oder Engel, die zu ihm kamen, nicht ansatzweise an Abrahams Verständnis und Handeln heranreichte, dem sie ja zuvor erschienen waren. Aber das hielt den Herrn nicht davon ab, sich Lots anzunehmen. Und nicht nur im übertragenen, sondern sogar im wortwörtlichen Sinne holte Gott Lot und seine Familie da ab, wo sie waren. Nämlich in Sodom. Und er führte sie an einen besseren Ort.

Ich finde diese Geschichte trotz einiger Stellen, die für mich schwer verständlich sind, was das Denken und Handeln der darin vorkommenden Personen betrifft, so kostbar und beeindruckend, was die Beziehung des Herrn zu seinen Kindern angeht und ich sehe darin wirklich Parallelen zu meinem eigenen Leben.

So fällt mir doch immer mehr auf, dass der Himmlische Vater auch mich in meinem Leben führt und mein Leben so leitet, wie gerade ich es in meinem jetzigen Wissensstand und in meinen jetzigen Lebensumständen brauche. Er holt auch mich immer genau da ab, wo ich gerade bin, um mich Schritt für Schritt immer mehr auf mein Leben bei ihm, also auf mein Leben nach diesem Erdenleben, vorzubereiten. Und das tut er nicht nur mit mir, sondern mit jedem seiner Kinder.

Jetzt ist so mancher Schicksalsschlag sicher schwer mit dem Gedanken daran zu vereinbaren, dass ein liebender himmlischer Vater uns ausgerechnet so etwas zumutet, um daran zu wachsen. Wie zum Beispiel, wenn ich an meine Freundin  denke, die von einer lebenslustigen, fröhlichen und liebevollen jungen Frau durch einen schweren Unfall jetzt nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Und trotzdem kann man im glaubensvollen und hoffnungsvollen Umgang ihrer Familie und Freunde mit dieser schweren Herausforderung ganz deutlich erkennen, wie alle um sie herum in ihrem Glauben an das Werk Jesu Christi auf dieser Welt gestärkt werden. Und ich bin voller Hoffnung, dass selbst diese schlimme Zeit ein Segen für alle sein wird, die sie miterleben. Schon jetzt kann man erkennen, wie es Freunde und Familie noch mehr zusammengeschweißt hat. Wie Liebe und Hilfe aus allen Teilen der Deutschlands und sogar aus dem Ausland zu Menschen zurückkam, die zuvor in ihrem Leben immer ein Segen und eine Hilfe für andere gewesen waren! So viele Herzen wurden berührt durch die Liebe, die diese junge Frau und ihre Familie von allen Seiten empfangen. Und ihr Zeugnis stärkt und berührt wiederum diejenigen, die die Familie jetzt in dieser Zeit erleben, oder kennenlernen dürfen.

Es ist mein Zeugnis, dass Gott Vater ein liebevoller Gott ist. Es ist mein Zeugnis, dass er und sein Sohn Jesus Christus immer mit offenen Armen dastehen und uns da abholen, wo wir gerade sind. Ganz egal, wo wir sind und wie wir sind. Sie werden sich uns niemals aufdrängen. Aber sie werden immer da sein, um uns zu empfangen, wenn wir sie empfangen wollen.

- aus einer Ansprache von Schwester Dana Jähn

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